Fahnder uneins über Bedeutung von (fehlenden) Vorratsdaten

Aus der Praxis kommen unterschiedliche Signale zur Bedeutung der (nun nicht mehr erfolgenden) Vorratsdatenspeicherung.

Hannovers Polizeipräsident Uwe Binias erwartet für das laufende Jahr zum Beispiel “spürbare Einschnitte” bei der Kriminalitätsbekämpfung und Gefahrenabwehr. Binias wörtlich:

Die Bekämpfung bestimmter Straftaten wie die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet oder auch Warenkreditbetrug [wird] erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht.

Weiterhin führt er aus, es sei bei der gegenwärtig geltenden Rechtslage nicht nur möglich, “sondern sogar wahrscheinlich”, dass selbst ein Mörder in bestimmten Fällen einmal nicht überführt werden könne. Auch bei in einem Chatroom angekündigten Amoklauf sei der Polizei zukünftig die Hände gebunden.

Ganz anders äußert sich Thomas Schell, seines Zeichens Oberstaatsanwalt in Cottbus. Er betont ebenfalls, dass der Zugriff auf IP-Adressen wichtig sei, es handele sich aber “um kein Allheilmittel”. Vielmehr seien IP-Adressen lediglich der Ausgangspunkt für weitere Ermittlungen, etwa Durchsuchungen, Zeugenbefragungen und kriminalistische Ermittlungen. Ernsthafte Einschränkungen durch fehlende Daten seien jedoch im Bereich der unteren und mittleren Kriminalität zu erwarten.

Tatsächlich wird die Wahrheit zwischen beiden Ansichten zu suchen sein. So muss man berücksichtigen, dass in der Vergangenheit – in einer Zeit, in der Vorratsdaten noch noch nicht verfügbar waren – internetbezogene Fälle sehr wohl von der Polizei ermittelt werden konnten und die Täter nicht durchgängig unbehelligt blieben. Hier spielt die Tatsache eine Rolle, dass Provider (häufig rechtswidrig) Daten länger speichern, als das Gesetz dies vorsieht. Andererseits nutzt eine ermittelte IP-Adresse (noch) nichts, wenn sie zu einem ausländischen Provider führt und dieser entweder aus rechtlichen Gründen nicht kooperieren darf, oder es einfach nicht tut (z.B. bei sog. bulletproof-Providern). Auch Schell erläutert, dass bei der internationalen Kooperation noch viel zu tun sei. Selbst bei innereuropäischen Anfragen werde häufig lediglich bei schweren Straftaten kooperiert. Mit Asien gebe es häufig überhaupt keine Kooperation. So gesehen ist Thomas Schell uneingeschränkt zuzustimmen, dass IP-Adressen kein Allheilmittel sind. Es gilt daher der Grundsatz, der auch für andere Ermittlungen einschlägig ist: Wenn ein Beweismittel nicht zur Verfügung steht, muss man eben an einer anderen Stelle ansetzen. Dies ist bei Untersuchungen in der “realen” Welt seit langem akzeptiert. Dass es auch im Internet keine hundertprozentige Aufklärungsquote geben kann, müssen andere hingegen noch lernen…