In der Sitzung der UN-Generalversammlung am 27. Dezember 2019 wurde der russische Vorstoß für eine Resolution (Dokument ist gegenwärtig hier abrufbar) mit dem Titel

Countering the use of information and communications technologies for criminal purposes

mit 79 zu 60 Stimmen bei 30 Enthaltungen angenommen. Damit ist der alte Streit, ob es neben oder anstelle der Cybercrime Konvention des Europarates auch eine UN-Konvention zur Bekämpfung der Computerkriminalität geben sollte, wieder neu entflammt.

Durch die angenommene Resolution wird nun eine weltweite Expertengruppe ins Leben gerufen, die eine entsprechende UN-Konvention vorbereiten soll. Bereits im August 2020 soll in New York ein erstes dreitägiges Treffen stattfinden, auf dem die Modalitäten der weiteren Aktivitäten besprochen werden sollen.

Gegen den Vorstoß gibt es – wie bereits beim letzten Mal im Jahr 2010 – erhebliche Bedenken. Zumeist wird ins Feld geführt, dass die Cybercrime Konvention des Europarates die Problematik ausreichend abdecke und daher keine weitere internationale Konvention notwendig sei. Zudem sei mit den Diskussionen über ein neues zweites Zusatzprotokoll zur Europaratskonvention bereits eine internationale Debatte über notwendige Ergänzungen angestoßen worden. Eine parallele Auseinandersetzung in einem anderem internationalen Forum wäre kaum hilfreich, um dem übergeordneten Ziel – der weltweiten Bekämpfung von Computerkriminalität – entgegenzuwirken. Vielmehr wäre eine Zersplitterung und ggf. Lähmung der internationalen Aktivitäten zu befürchten.

Hinter den eher formal wirkenden Argumenten steckt aber auch die Befürchtung, dass eine breit angelegte UN-Konvention sich nicht nur auf Computerkriminalität im engeren Sinne konzentrieren könnte. „Use of information and communications technologies“ könnte durch autoritäre Regime in einem Sinne interpretiert werden, der es erlaubt, nicht nur Computerkriminalität zu bekämpfen, sondern auch legitime Meinungsäußerungen und andere Handlungen im Internet zu kriminalisieren und so zu unterdrücken. Auf diese Weise könnten nationale Maßnahmen der Zensur und der Internetkontrolle international gerechtfertigt und sogar befördert werden. Verschiedene Bürgerrechtsvereinigungen und NGOs haben sich daher in einem offenen Brief klar gegen den Vorstoß positioniert.

Zudem wird zum Teil befürchtet, dass Russland mit dem Vorstoß versuchen könnte, die internationale Konsensbildung zu Cybernormen aktiv zu behindern.

Die Befürworter der UN-Resolution – vor allem Russland und China – führen dagegen an, dass die aktuelle Diskussion zum neuen Zusatzprotokoll der Cybercrime Konvention in die falsche Richtung führten. Der grenzüberschreitende Zugriff, der dort vorgesehen werden soll, bedrohe die nationale Souveränität der betroffenen Staaten im Cyberspace. Herausforderungen wie „Cyber Terrorismus“ würden überhaupt nicht adressiert.

Die Auswirkungen, welche die Entscheidung in der Generalversammlung nach sich ziehen wird, sind gegenwärtig noch kaum abzusehen. Kritiker befürchten, dass schon der nun eingeschlagene Weg in der UN die Europaratskonvention behindern und mittelfristig sogar wirkungslos machen könnte. Ob dann eine neue UN-Konvention den so entstandenen Schaden auffangen kann, wird sich erst noch zeigen müssen. Die Geschichte der Europaratskonvention hat jedenfalls gezeigt, dass der Weg zu einer internationalen Einigung steinig und lang ist.